Der Rheinfall spendet am Ende tosenden Applaus

Klaus Drescher aus Friedberg beim „Trans Suisse"

(kldr) "Von Locarno (197 m ü.M.) schwimmend durch den meist garstig kalten Lago Maggiore zum idyllischen Centro Sportivo Tenero. Mit dem Velo die Leventina hinauf, über Hunderte von Kehren zum ewigen Schnee auf den Gotthard-Paß (2108 m ü.M.). Die Schöllenschlucht hinunter in die Ur-Schweiz. Vorbei am Vierwaldstätter See und über den Sattelpaß (932 m ü. M.) nach Rapperswil an den Zürichsee, den giftig steilen ,Cerberus-Hill' hinauf und runter zur Wechselzone am Greifensee. Laufend in die weiten Felder und schönen Wälder des Züricher Unterlandes, durch den ,Lufinger Canyon' hinab ins romantische Tösstal und an den Rhein, Über den ,Ho-Chi-Rhin-Pfad' entlang dem ruhig fließenden Strom hinauf nach Schaffhausen (384 m ü.M.), wo du vom tosenden Applaus des Rheinfalls empfangen wirst,"

Alle zwei Jahre - und das mittlerweile zum fünften Mal - folgen Extremsportler dieser Wegbeschreibung. Sie folgen, wie heuer auch Klaus Drescher aus Friedberg, dem Ruf der Brüder Peter und Martin Wirz aus Zürich in die Schweiz, um das "andere" Erlebnis, den "Cerberus" oder schlicht den "Trans Swiss Triathlon", zu erfahren, über sich ergehen zu lassen und zu bezwingen: 3,5 km Schwimmen, 225 km Radfahren, 46 km Laufen. Die Idee zu diesem bemerkenswerten Spektakel hatten vor Jahren die Brüder, als sie Freunden und Bekannten die Dimensionen eines Ultra-Triathlon-Wettkampfes erklären wollten: "Du startest an der italienischen Grenze, schwimmst durch den Lago Maggiore, radelst danach durch die Schweiz bis nach Zürich, und anschließend läufst du noch bis an die deutsche Grenze nach Schaffhausen," Aus der Idee wurde Wirklichkeit.
Die Schweiz auf die sportlichste Art zu durchqueren, nämlich zu Wasser, auf dem Rad und zu Fuß, zieht seither immer mehr Sportler an, aus den anfangs knapp hundert Männern stellten sich am Samstag 18 Frauen und 639 Männer dieser einzigartigen Prüfung.
Zwei gravierende Unterschiede zu den allgemein bekannten Ironman-Veranstaltungen zeichnen den Trans Swiss Triathlon als etwas Besonderes aus: Die überaus harten Disziplinen Radfahren und Laufen zum einen - allein auf der Radstrecke sind drei Pässe mit insgesamt 3100 Höhenmetern zu überwinden -, und zum anderen der spezielle Modus dieser Veranstaltung: Es zählt das Ankommen. Somit ist es auch nur konsequent, daß es keine Siegerlisten gibt, sondern lediglich eine alphabetische Finisherliste. Einzig zu langsame oder zu wenig trainierte Dreikämpfer werden aus dem Wettkampf genommen, wenn sie an den insgesamt 13 Kontrollposten auf der Strecke ein großzügig bemessenes Zeitlimit nicht mehr einhalten können.

Der heißeste Wettkampftag

Auch der Friedberger Triathlet Klaus Drescher stürzte sich am Samstag um 6 Uhr in das mäßig warme Wasser des Lago Maggiore, vor sich den längsten, schwersten und mit bis zu 35°C heißesten Wettkampftag seiner bisherigen sportlichen Laufbahn. In unendlich langen Trainingseinheiten - bis zu 270 Radkilometer pro Tag - hatte er sich auf dieses Ereignis vorbereitet. Sowohl an Ostern wie zu Pfingsten weilte er zu Trainingszwecken im Tessin, um die berüchtigte Gotthard-Strecke, die "Tremola", kennenzulernen. Bei der ersten Befahrung zwang ihn die Schneegrenze nach wenigen Kilometern zur Umkehr, und selbst in den Pfingstferien mußte er sein Rad auf dem letzten Kilometer zum Gotthard-Hospiz durch Schneeverwehungen tragen.
19 Stunden und 25 Minuten oder 274,5 Kilometer lagen nun vor, dem Sportlehrer des Wernher-von-Braun-Gymnasiums, dessen Frau Marion ihn als offizielle Begleiterin während des Wettkampfs mit Bananen, Energieriegeln und Getränken versorgte, Die erste Disziplin überstand Drescher ohne Probleme, 90 Minuten vor dem vom Veranstalter gesetzten Zeitlimit wechselte er auf das Rad und machte auf den ersten 40 Kilometern Druck, um vor den steilen Anstiegen einen beruhigenden Vorsprung herausgefahren zu haben. Über Bellinzona ging es nach Biasca und von dort weiter hinaus nach Airolo, wo das Herzstück der Radstrecke folgte: die Tremola, jene alte Kopfsteinpflasterstraße, die in 99 Serpentinen auf den Gotthard führt. Hier wurden höchste Ansprüche an Athleten und Material gestellt, denn auf 13 Kilometern steigt die Straße durchschnittlich zehn bis zwölf Prozent an, die Mittagssonne brannte erbarmungslos hernieder, und wehe dem, der nicht reichlich Wasser mit sich führte.

Halsbrecherische Abfahrt

Drescher hatte sich einen exakten Versorgungsplan zurechtgelegt, hatte Trink- und Eßrhythmen mehrfach ausprobiert und mußte dennoch erkennen, daß nicht alles testbar war: am Samstag benötigte er dreimal soviel Wasser für die ersten 90 Kilometer wie bei der Testfahrt während der Pfingstferien, und die große Hitze schnürte ihm buchstäblich den Hals zu, so daß er viel zuwenig feste Nahrung zu sich nahm, was sich später rächen sollte, Nach einer halsbrecherischen Abfahrt ging es anschließend hinunter zum Vierwaldstätter See und von dort bei inzwischen wolkenverhangenem Himmel, aber tropisch schwül anmutenden Temperaturen auf insgesamt 22 Kilometern Länge wieder hinauf zum Sattelpaß. 170 Kilometer lagen nun hinter den Athleten, die Stimmung war von ersten Ermüdungserscheinungen geprägt, und bange Gedanken entwickelten sich im Hinblick auf die noch folgende letzte Disziplin, das Laufen, Der Besenwagen mit aufgelesenen oder aufgebenden Sportlern war nun häufiger auf der Strecke zu sehen. Auch Drescher machte sein erstes "Megatief" durch, trank seine 18. Flasche Wasser, 21 waren es beim letzten Wechsel, und wandte mentale Verdrängungsmechanismen an, wie er sie auf diversen Lauf- und Radeinheiten vielfach geübt hatte.

Mit der Taschenlampe

Um 19.15 Uhr war es noch immer drückend heiß, Drescher war auf der Laufstrecke, auf dem Rücken einen Trinkrucksack mit Wasser, in der rechten Hand eine Taschenlampe, denn mindestens drei Stunden lang sollte er in absoluter Dunkelheit laufen.
Der Überdistanz-Marathon forderte die letzten Kraft- und Willensreserven. Bei Kilometer 17 kam dann die zweite Krise: der Magen rebellierte, und er ließ sich nur langsam mit Trockenbrot und Früchtescheiben beruhigen. Als um 23 Uhr ein heftiges Gewitter für Abkühlung sorgte, kehrten Lebensgeister, Kraft und Zuversicht wieder zurück, auch der unwegsame "Ho-Chi-Rhin-Pfad" lag hinter den Triathleten, die sich längst zu Gruppen und Grüppchen formiert hatten. Die letzten 16 Kilometer waren zudem völlig eben, so daß man wieder weiter ausgreifen konnte. Um 1.25 Uhr erreichte Drescher das Ziel am tosenden Rheinfall in Schaffhausen/Neuhausen, wo er von seiner Frau erwartet wurde. Müde aber von tiefer Zufriedenheit über das zuvor Erlebte, nahm er den Gotthard-Granit entgegen, den jeder Finisher als Geste der Anerkennung im Ziel überreicht bekam.

streck_horiz

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.